Im Folgenden werde ich beschreiben, worauf der Hautarzt achtet, um ein verdächtiges Pigmentmal zu identifizieren. Neben einer guten Ausbildung sind eine gründliche Untersuchung und die Erfahrung des Arztes von großer Bedeutung. Die Untersuchung des Hautorgans schließt den gesamten Körper ein. Häufig werden Tumore im Bereich der Mundschleimhaut, der Finger- und Fußnägel sowie an schlecht einsehbaren Stellen (z. B. im Bereich der Gesäßfalte, am After oder im Bereich der Genitalien) übersehen. Auch wenn es dem einen oder dem anderen Patienten unangenehm ist, intime Bereiche des Körpers auf gefährliche Pigmentmale kontrollieren zu lassen, sollte sie oder er auf eine gründliche Untersuchung bestehen.
Wie geht der Hautarzt in der „Fleckensprechstunde" nun vor? Am Anfang tritt er etwa einen bis zwei Meter von dem Patienten zurück und verschafft sich einen Überblick. So kann der Arzt schon Flecken erkennen, die einzeln gelegen sind und „irgendwie anders" aussehen. In englischen Fachzeitschriften wurde dieses Vorgehen als Suche nach dem „ugly duckling" beschrieben, was so viel bedeutet, wie das „hässliche Entlein" zu finden, das sich relativ auffällig von anderen Leberflecken abhebt. Schaut der Hautarzt sich dann den auffälligen Fleck etwas näher an, so wirkt er für den erfahrenen Arzt eher „unruhig", „irgendwie seltsam" oder einfach „bösartig".
Ihr Hautarzt wird dann mit einer zielgerichteten Strategie ergründen, ob dieser Fleck ein bösartiger Tumor ist oder nicht. Mit Hilfe einer speziellen Leuchtlupe für die Haut (Dermatoskop) wendet er die sogenannte A, B, C, D (E)-Regel an:
A steht für die Asymmetrie (nicht spiegelbildlich)
B für Begrenzung
C für Colorierung (Farbe)
D für den Durchmesser oder für die Differentialstruktur
E für die Erhabenheit eines Pigmentfleckes oder aber auch für das Wort Evolution, womit die Veränderung eines Leberflecks gemeint ist.
Ich möchte nun auf die einzelnen Kriterien der ABCD-Regel näher eingehen:
Beim „A", der Symmetrie oder Asymmetrie, geht es darum, einen Leberfleck wie einen Schmetterling zu betrachten. Beide Flügel eines Schmetterlings sind geometrisch gleich, d. h., man kann sie aufeinander klappen, und die Ränder der Flügel decken sich exakt ab. Der Körper des Schmetterlings ist die Achse, die sich durch den symmetrischen Aufbau des Insekts ziehen lässt. Im Frisörgewerbe gibt es auch symmetrische und asymmetrische Frisuren. Stellen Sie sich einen Herrn vor, der einen sogenannten „Poposcheitel" und einen „Schnauzbart" trägt. Der Scheitel, der sich genau in der Mitte des Kopfes befindet und die Mitte der Oberlippe, wo zu beiden Seiten der Schnauzbart steht, wären dann die Achse eines symmetrischen Gebildes. Ich überlasse es gerne ihrer Phantasie, sich Frisuren vorzustellen, die eben nicht symmetrisch, sondern asymmetrisch sind. Die Asymmetrie eines bösartigen Tumors der Haut ist eines der wichtigsten Merkmale zur Erkennung von Melanomen, denn wenn man schon in einer gedachten Achse keine Symmetrie findet, sollte der Fleck schon sehr genau weiter betrachtet werden.
Das „B" in der ABCD-Regel bedeutet die Begrenzung des Farbpigmentmusters. Wenn die Begrenzung nicht ebenmäßig ist, sondern sich kleine Ausstülpungen und Inseln ausbilden, die Ausläufer wie kleine Füßchen haben (der Arzt nennt diese „Pseudopodien"), muss an ein bösartiges Geschehen gedacht werden. Die Pseudopodien können Wachstum von Krebszellen in das anliegende Gewebe bedeuten. Sie sind in der Regel nur schwer mit dem bloßen Auge sichtbar; deshalb nutzt der Arzt die Hautlupe (Dermatoskop), um diese Strukturen zu entdecken.
Das „C" steht für Colorierung und bedeutet, Veränderungen bzw. unterschiedliche Farben, die sich in einem Pigmentmal befinden. Mit Hilfe des Dermatoskops kann man sehr gut die unterschiedlichen Farben identifizieren. Die Farben können hellbraun, dunkelbraun, stahlblau, blau-braun bis schwarz, rot oder auch weiß sein. Bei mehr als zwei Farben sollte dem Leberfleck besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Der Buchstabe „D" steht für zwei Kriterien der Bösartigkeit eines Leberflecks und zwar zum einen für den Durchmesser und zum anderen für die sogenannte „Differentialstrukturierung" des Flecks.