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Im Folgenden möchte ich auf ein häufig missverstandenes Thema eingehen: Der Einsatz von Kortison. Kortison ist ein körpereigenes Hormon, das in der Nebennierenrinde bei jedem gesunden Menschen in ausreichender Menge produziert wird. Dieses Hormon hat im Körper verschiedene Aufgaben. Wenn es als Medikament zusätzlich eingenommen wird, hemmt es u. a. die Entzündung der Haut und damit auch den Juckreiz. Auch Abstoßungsreaktionen von als fremd erkanntem Gewebe werden vermindert. So behandelt man Patienten, denen ein Organ transplantiert worden ist (z.B. Niere, Leber, Lunge) mit hohen Dosierungen an Kortison, um die Abstoßung des eigentlich fremden Gewebe bei dem Patienten zu verhindern. Hohe Dosierungen von Kortison führen zu gewünschten Effekten, aber man muss dafür auch unerwünschte Nebenwirkungen dieses Präparates in Kauf nehmen. Wenn man Kortison auf die Haut schmiert, so kann man nach längerem Gebrauch und - abhängig von der Wirkstärke des Kortisons - eine Entzündung und Schuppung zwar zurückdrängen, aber man nimmt dafür z.B. in Kauf, dass die Blutgefäße sich auf Dauer und unwiederbringlich erweitern und in der Haut brüchig werden. Diese unerwünschte Wirkung des Kortisons führt zu einer Rötung der Haut (besonders auffällig im Gesicht) sowie nach jahrelangem Gebrauch auch zu Einblutungen in die Haut. Außerdem können sich unschöne Risse im tiefen Hautgewebe entwickeln (ähnlich sog. „Schwangerschaftsstreifen"). Diese Nebenwirkungen sind natürlich nicht erwünscht. Aus diesem Grund muss man beim Einsatz von Kortison grundsätzlich vorsichtig sein. Der Leitspruch für die Anwendung von Kortisoncremes und –salben bei der Neurodermitis lautet: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Das heißt, dass wenn Kortisoncremes vernünftig angewendet werden, in der Regel die Vorteile (Entzündungshemmung und Juckreizlinderung) bei weitem die möglichen Nachteile überwiegen. Man kann sogar sagen, dass fehlender Einsatz von Kortison ebenso hautschädigend sein kann, wie die verantwortungslose Verwendung dieser Substanz. Die Aufnahme von Kortison in die Haut hängt von der Körperregion ab. Dort, wo die Haut dick ist, z.B. an den Händen, ist das Eindringen von Kortison in tiefere Hautregionen wesentlich geringer als z.B. im Gesicht. Durch chemische Veränderungen des Kortisons kann man die Stärke (Wirkpotenz) des Medikamentes verändern. Die Wirkstärke wird in vier Stärkeklassen eingeteilt, wobei die Klasse 1 die schwächste und die Klasse 4 die stärkste Präparategruppe beinhaltet. Leider spiegelt in der Regel die Wirkstärke auch die Stärke der unerwünschten Nebenwirkungen auf die Haut wider. Die Herstellung von Kortisonen, die nur erwünschte Wirkungen haben und nur wenige Nebenwirkungen aufweisen, war über Jahre hinweg ein erklärtes Ziel der Pharmaindustrie. Leider ist dieses nur zum Teil gelungen und deshalb muss man, insbesondere bei falscher Anwendung, mit Hautschäden rechnen. Nach meiner Erfahrung möchte ich allerdings davor warnen, Kortison aus dem Behandlungsprogramm für Neurodermitis völlig auszuschließen. Ich habe immer wieder Patienten erlebt, die unter einer solchen Einstellung sehr schwer gelitten haben und letztendlich doch auf Kortison zurückgreifen mussten. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass jeder Patient mit einer chronischen Hauterkrankung selber entscheiden muss, wie er diese behandeln möchte. Ärzte sollten hier unterstützend tätig sein, aufklären und den Patienten führen, ihn aber nicht zu einer Therapie „zwingen", die er eigentlich gar nicht wünscht. Erfreulicherweise gibt es seit einigen Jahren neuere Medikamente (sog. „Makrolide"), die bei lokaler Entzündung, Juckreiz und Schuppung der Haut helfen; aber diese haben andere Wirkmechanismen als Kortison. Auch hier werden spezielle, unerwünschte Wirkungen beobachtet, die sich jedoch anders auswirken als beim Kortison. Durch Einsatz dieser Präparate im Wechsel mit Kortison kann die Gesamtlast der Nebenwirkungen bei Kortisonbehandlung über die Jahre erfolgreich verringert werden. Somit treten Kortisonnebenwirkungen, wie Hautverdünnung und Gefäßerweiterungen oder „Schwangerschaftsstreifen" gar nicht, oder erst später auf.

 

Bei trockener Haut, die in der Regel mit der Neurodermitis einhergeht, ist die Haut-Basistherapie ("Hautpflege") mit Cremes, Salben, Lotionen oder rückfettenden Badezusätzen sehr wichtig. So können quälende Entzündungen der Haut vermieden oder begrenzt werden. Kortison ist ein Medikament, das Haut-Basistherapeutika hinzugefügt werden kann. Es hat bei falscher Anwendung unerwünschte Auswirkungen auf die Haut. Kortison sollte deshalb nur zeitlich begrenzt und dann eingesetzt werden, wenn man der Neurodermitis durch basistherapeutische Maßnahmen nicht Herr werden kann. Bei der Dauer der Behandlung mit Kortison gibt es eine wichtige Regel: Grundsätzlich sollte man das Präparat „ausschleichen". Das bedeutet, dass, wenn die Hautveränderungen nach Behandlung abgeklungen sind, man nicht sofort das Präparat absetzt. Es besteht dann die Gefahr, dass die Hautveränderungen schnell wieder auftreten. Aus diesem Grund ist zu empfehlen, dass man die Behandlung entweder über mehrere Tage oder Wochen nur einmal am Tag, dann alle zwei Tage, dann alle drei Tage durchführt und die Haut in den behandlungsfreien Zeitintervallen „nur pflegt" oder, dass man von Kortisonen mit hoher Wirkpotenz (z.B. Klasse 3 oder 4) auf Kortisone mit niedriger Wirkstärke (z.B. Klasse 2 oder 1) über die Zeit wechselt. Idealerweise sollte erreicht werden, dass man über einen möglichst langen Zeitraum gänzlich auf Kortisonpräparate verzichten kann. Die o. g. Tandem- oder Intervalltherapien kann man natürlich auch erfolgreich kombinieren. Hier gilt wieder der Grundsatz, dass es zur Behandlung mit Kortisonpräparaten bei Neurodermitis keine Allgemeingültigkeit gibt. Der Patient muss sich in seiner Haut wohl fühlen und sowohl individuell als auch stadiengerecht (z.B. bei trockener Haut eher Salbe, oder bei feuchter, geröteter Haut eher Cremes oder Lotionen) behandelt werden.
Es gibt besondere Situationen, in denen noch andere Präparate zur Behandlung von Neurodermitis eingesetzt werden müssen. Wenn die Haut entzündet, offen ist und nässt, können oft Bakterien zu schmierigen, eitrigen Hautveränderungen führen. Oft findet man auch dicke, gerötete und aufgekratzte Knötchen in der Haut. Der häufigste Erreger ist das Bakterium Staphylokokkus aureus. In der Regel setze ich hier Substanzen ein, die die Haut desinfizieren, z.B. Farbstoffe oder jodhaltige Desinfektionsmittel. Auch Antibiotika-haltige Cremes oder Salben können auf die Haut geschmiert werden. Diese Antibiotika wirken in der Regel aber nicht wesentlich besser als die normalen Desinfektionsmittel und Farbstoffe; mit einem zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika sollte vermieden werden, dass sich gegen Antibiotika Allergien entwickeln oder Bakterienstämme gegen die Wirkstoffe resistent werden (d.h. Antibiotika werden wirkungslos gegen bestimmte Bakterien).

Bei Patienten mit Neurodermitis kann auch der Befall der Haut mit Viren eine wichtige Rolle spielen. Gerade wenn die Hautbarriere durch Trockenheit und Risse, bzw. Entzündung und Nässen geschwächt ist, kann man sich sehr schnell mit Viren anstecken. Bei den Herpes-Viren treten kleine Bläschen mit klarem, wässrigem Inhalt auf, die oft schmerzhaft sind und jucken. Die Ansteckung und Ausbreitung mit den Viren kann durchaus über einen Lippenherpes erfolgen. Es gilt dann, mit Medikamenten gegen diese Viren die Ausbreitung auf den gesamten Körper zu verhindern. Seit mehreren Jahren gibt es sehr gut wirkende Substanzen, die in Tablettenform oder als Infusionen die Vermehrung der Herpesviren in der Haut bekämpfen.
Nicht nur Herpes-Viren, sondern auch Dellwarzen, die durch einen anderen Virus verursacht werden, können vermehrt bei Patienten mit neurodermitischen Hautveränderungen auftreten. Die kleinen, erhabenen Dellwarzen, die meist in Gruppen auftreten und in der Mitte eingedellt sind, sind mit Medikamenten kaum zu behandeln und müssen in der Regel mühsam per Hand aus der Haut entfernt werden. Häufig findet man die Dellwarzen auch an Stellen des Körpers, wo nur wenige Hautveränderungen zu finden sind. In diesem Falle ist anzunehmen, dass die Abwehrkraft der Haut des Neurodermitispatienten gerade während eines Neurodermitisschubs eingeschränkt ist.
Neben den Medikamenten, die als Wirkstoffe in Cremes auf die Haut aufgetragen werden, gibt es auch noch Medikamente, die in Tablettenform eingenommen werden. Eine solche Therapieform ist allerdings nur dann zu empfehlen, wenn die Hautveränderungen sehr stark ausgeprägt sind und man der Neurodermitis durch eine Therapie mit Salben und Cremes nicht anders begegnen kann. So kann man auch Kortison oder andere entzündungshemmende Medikamente (sog. Immunsuppressiva) in Tablettenform einnehmen. Allerdings besteht bei Einnahme in Tablettenform immer die Gefahr, dass ausgeprägte unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Deshalb sollte man hier sehr zurückhaltend sein, sich auf den Rat seines Arztes verlassen und nicht ohne Not nebenwirkungsreiche Medikamente in dieser Form zu sich nehmen.
Gegen den Juckreiz bei Neurodermitis nehmen viele Patienten Antihistaminika ein, die den oft quälenden Juckreiz lindern. Durch Einnahme solcher Medikamente kommt es dann auch nicht mehr in dem Maße zum Aufkratzen der Haut. Viele dieser Medikamente sind in der Apotheke frei verkäuflich. Wichtig ist, sich beim Arzt oder Apotheker über die möglichen Nebenwirkungen zu erkundigen. Zum Beispiel führen bei vielen Menschen Antihistaminika zu Müdigkeit und sollten deshalb bei Patienten mit bestimmten Berufen nicht eingesetzt werden. Beachtenswert ist auch noch, dass die Vielzahl unterschiedlicher Antihistaminika auch unterschiedlich auf den Menschen wirken. So ist es zu empfehlen, dass, wenn ein Antihistaminikum nicht wirkt, ein anderes Antihistaminikum mit einem anderen Wirkstoff ausprobiert wird. Grundsätzlich sollte man den Beipackzettel genau lesen und sich bei Bedarf in der Apotheke über das einzunehmende Medikament genau aufklären lassen.